Ousman Sey (in Dortmund im Polizeigewahrsam durch unterlassene Hilfeleistung gestorben am 02.07.2012)

Ousman Sey starb am 02.07.14 im Polizeigewahrsam in Dortmund, nachdem er vorher vergeblich versucht hatte, wegen Herzproblem ins Krankenhaus eingewiesen zu werden – statt dessen aber vorläufig festgenommen wurde. Aufgrund der offenbar liegenden Notwendigkeit angemessener medizinischer Betreuung ist von Tötung durch unterlassene Hilfeleistung durch die beteiligten Polizei-Beamt*innen, aus offenbar rassistischen Motiven, auszugehen. Die Ermittlungen gegen die entsprechenden Polizei-Beamt*innen hatten offenbar auch drei Monate nach dem Tod von Ousman Sey noch zu keinerlei Ergebnissen geführt. Es ist davon auszugehen, dass die Ermittlungen schon lange eingestellt – und die beteiligten Beamt*innen, wieder einmal, straffrei davon gekommen sind.

Vom Blog „Ruhrbarone„:
Tod im Dortmunder Polizeigewahrsam: Herzspezialist erhebt schwere Vorwürfe

Die Umstände des Todes des am 7. Juli verstorbenen Dortmunders Ousman Sey sind weiter ungeklärt. Ein Lüdenscheider Herzspezialist erhebt schwere Vorwürfe gegen die Rettungssanitäter, die sich zwei Mal weigerten, Sey in ein Krankenhaus einzuliefern.

Am 7. Juli starb der in Dortmund lebende Gambier Ousman Sey im Polizeigewahrsam. Die Beamten hatten ihn nach einem Bericht der Ruhr Nachrichten auf die Wache zur Eigensicherung gebracht. Zuvor hatten sich von Sey gerufene Rettungssanitäter zwei Mal geweigert, seinem Wunsch in ein Krankenhaus aufgenommen zu werden, zu entsprechen. Sey hatte ihnen gegenüber über Herzrasen geklagt.

Dass einem Mann, der über Herzrasen klagt, die Einweisung in ein Krankenhaus verweigert wird, kann der Lüdenscheider Herzspezialist Prof. Dr. med. Bernd Lemke, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Klinikum Lüdenscheid, nicht nachvollziehen. In einer Stellungnahme, die diesem Blog vorliegt, erhebt Lemke schwere Vorwürfe:

Im Gegensatz zur Aussage des Feuerwehr-Chefs Dirk Aschenbrenner gehört es hoffentlich nicht zum Standard der Dortmunder Feuerwehr, bei festgestelltem Herzrasen den Patienten in der Wohnung zu belassen bzw. von der Polizei in Gewahrsam nehmen zu lassen.

Herzrasen ist immer als bedrohliches Symptom zu werten. Die Unterscheidung zwischen gefährlichem und ungefährlichem Herzrasen kann letztlich nur nach ärztlicher Untersuchung getroffen werden, auch der Umstand, ob das Herzrasen nicht Ausdruck einer bedrohlichen Erkrankung ist.

Da die Notruf-Protokolle vorliegen und bei dem Patienten ein EKG geschrieben wurde, wird sich der Sachverhalt zügig aufklären lassen. Es macht auf jeden Fall betroffen, dass ein hilfesuchender Dortmunder zweimal den Rettungsdienst alarmiert, um dann im Polizeigewahrsam zu versterben.

Aus einem Aufruf zu einer Demonstration gegen den Tod von Ousman Sey im Polizeigewahrsam:

Am Morgen des 7. Juli 2012 starb der aus Gambia stammende Ousman Sey im Dortmunder Polizeigewahrsam. Zuvor hatte Sey zwei Mal vergebens einen Krankenwagen gerufen, weil er sich schlecht gefühlt hatte.

Nach dem ersten Eintreffen diagnostizierten die Rettungskräfte ein Herzrasen und attestierten ihm, noch kein Fall für das Krankenhaus zu sein. Als Sey eine halbe Stunde später erneut einen Krankenwagen rief, litt er Angaben seines Bruders zufolge bereits unter Krampfanfällen. Außerdem begann er angeblich, in seiner Wohnung zu „randalieren“, weshalb Einsatzkräfte der Polizei gleichzeitig mit den Rettungskräften eintrafen. Diese attestierten Sey erneut, nicht ins Krankenhaus zu müssen – eine Untersuchung durch den Polizeiarzt im Gewahrsam reiche aus. Dies geschah, obwohl eine im selben Haus wohnende Krankenschwester den Einsatzkräften klarzumachen versuchte, dass Ousman Sey dringend ins Krankenhaus gebracht werden müsse.

In Polizeigewahrsam angekommen, brach Ousman Sey jedoch sofort zusammen und starb laut Angaben der Behörden kurze Zeit später im Krankenhaus an einem Atemstillstand. Angehörige und Freund_innen des Toten äußerten in der Lokalpresse den Verdacht der unterlassenen Hilfeleistung durch die Rettungssanitäter_innen und Polizist_innen aus rassistischen Motiven. Die Leiter von Polizei und Feuerwehr, Norbert Wesseler und Dirk Aschenbrenner, wiesen dies erwartungsgemäß direkt zurück – ohne eine vorherige eingehende Prüfung der Ereignisse. Rassismus, so die Chefs von Feuerwehr und Polizei, habe in ihren Behörden keinen Platz und beeinflusse keineswegs die Handlungen der Einsatzkräfte.

Wir haben Zweifel!

Bisher ist unklar, ob das Fehlverhalten von Polizei und Sanitäter_innen eine unterlassene Hilfeleistung aufgrund rassistischer Motive darstellt – oder „lediglich“ aufgrund einer gefährlichen Inkompetenz. Dies muss untersucht werden.

Die Aussagen, es gebe keinen Rassismus in Polizei und Feuerwehr, sind mehr als nur offenkundig falsch und zeugen von einer Abwehrhaltung, die eine konsequente Untersuchung des Fehlverhaltens unwahrscheinlich erscheinen lässt.

Deutsche Polizist_innen handeln täglich rassistisch. Durch die gängige Praxis des sogenannten ‘Racial Profiling‘ rücken Schwarze unabhängig von ihrem Verhalten in den Fokus von Polizeikontrollen und erfahren so eine immer wiederkehrende institutionelle Diskriminierung.

Der Fall des 2005 im Dessauer Polizeigewahrsam gestorbenen Oury Jalloh ist lediglich ein sehr bekanntes Beispiel für den tödlichen Rassismus innerhalb deutscher Polizeibehörden. Polizeigewalt, die einen rassistischen Hintergrund vermuten lässt, ist auch in Dortmund nichts neues: 2006 wurde Dominique Koumadio von einem Polizisten aus mehreren Metern Entfernung mit mehreren Schüssen erschossen, weil er ein Messer in der Hand hielt – angeblich aus Notwehr.

Auch in der Feuerwehr und im Rettungsdienst gibt es wie in allen Teilbereichen der Gesellschaft Rassismus. Der Vorgänger von Feuerwehrchef Aschenbrenner verlor seinen Posten als Leiter des städtischen Instituts für Feuerwehr- und Rettungstechnologie aufgrund seiner Kontakte zur militanten Dortmunder Neonaziszene.

Rassismus ist kein alleiniges Phänomen der extremen Rechten oder angeblicher „bildungsferner Schichten“! Er ist auch in der vielbeschworenen „Mitte der Gesellschaft“ fest verankert und bestimmt nur allzuoft das Handeln staatlicher Stellen und Behörden!

Wir fordern eine Untersuchung und juristische Aufarbeitung des Fehlverhaltens von Polizei und Rettungsdienst, auch wenn dies angesichts des vorhandenen behördlichen Rassismus unwahrscheinlich erscheint!

Außerdem fragen wir:

  • Wie kann ein Mensch, der offensichtlich ärztliche Hilfe benötigt, in Handschellen(!) in Polizeigewahrsam genommen werden?
  • Warum haben die Sanitäter_innen trotz offensichtlich schwerster gesundheitlicher Probleme keine Anstalten unternommen, Ousman Sey in ärztliche Behandlung zu bringen?
  • Wie kann es sein, dass Polizei und Presse, trotz der offensichtlich lebensbedrohlichen Umstände, in denen sich Ousman Sey befand, ihn als ‘Randalierer‘ und Täter pathologisieren?
  • Wäre der Polizeipräsident Norbert Wesseler, der bestreitet, dass es sich hier um rassistisch motivierte Unterlassung von Hilfe handle, auch erst in Polizeigewahrsam gekommen, wenn er den Rettungsdienst wegen Herzrasens kontaktiert hätte? Bliebe er ruhig sitzen, wenn er Todesangst litt und ihm Hilfe verwehrt blieb?“

 

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