Am 07.06. gab es in Freiburg vielfältige Polizeigewalt gegen die zwar angekündigte, aber nicht angemeldete „Love or Hate“-Demonstration zur Unterstützung von alternativen Wohnformen. Verschiedene Motivwägen, die an der Demonstration teilnehmen wollten, wurden von der Polizei blockiert, es kam zu diversen Überprüfungen von Personalien von Teilnehmer*innen an der Demonstration, zu Festnahmen und zum Einsatz von Pfefferspray. Von der Polizei wurde das Vorgehen mit (geheim gehaltenen) sogenannten „Allgemeinverfügungen“ begründet.
Aus Protest gegen das Vorgehen der Polizei fanden verschiedene nicht angemeldete Demonstrationen unterschiedlicher Größe in der Freiburger Innenstadt statt.
Von „Indymedia Linksunten„:
Freiburger Love or Hate-Parade 2014: Bullenstress & Spontandemos
Am Samstag, den 7. Juni, sollte bei über 30°C die siebte Love or Hate-Parade als Abschluss der 20 Jahre KTS-Wochen stattfinden. Dies wurde durch einen massiven Polizeieinsatz und zwei Allgemeinverfügungen des Ordnungsamtes versucht zu verhindern. Als Reaktion gab es Spontandemos am Nachmittag und um Mitternacht eine Nachttanzdemo, die mit über 400 Leuten und Feuerwerk vom Augustinerplatz durch die Straßen zog.
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Unsere fantastisch dekorierten Sound- und Planschwägen wurden auf dem Weg zum Demostartpunkt der Johanneskirche an vier Orten über Stunden blockiert. Die meisten wurden unter Androhung von Beschlagnahmungen endgültig an der Demoteilnahme gehindert. Ohne Wägen – aber mit einer gehörigen Menge Wut im Bauch – machten wir uns am Nachmittag auf in die Innenstadt. Hier versuchten die Bullen erneut uns zu drangsalieren, waren aber oftmals einfach überfordert mit den hunderten FreundInnen der KTS, die in Gruppen und Demonstrationszügen ihre Ordnung störten.
Während sich die ersten Linken an der Johanneskirche um kurz nach 14 Uhr sammelten und sich an mit Helium gefüllten, pinken Luftballons erfreuten, kamen viele andere nur einige Meter weit: In der Baslerstraße wurden drei Wägen kurz nach der KTS blockiert. Ein Soundwagen und die kosmische Diskokugel wurden von den Bullen zur Umkehr gezwungen. Ein Traktor mit Anhänger wurde schließlich nach drei Stunden durchgelassen. Zur selben Zeit wurde zwei Wägen vor SUSI auf dem Vauban-Gelände von der Bullen aufgehalten. Ein Planschmobil hatte einen Swimmingpool-Aufbau mit Rutsche! Ebenso erging es den vielen Wägen, die vom Eselswinkel und den Schattenparkern kommen wollten. Eine weitere Karre, die sich der Demo anschließen wollte, wurde in der Lorettostraße gekesselt und eine „verdachtsunabhängig“ kontrolliert. Auch Demonstrierende, die von außerhalb anreisten, wurden von den Bullen drangsaliert.
Ganz Freiburg hasst die Polizei
Der Ruf des Amts für öffentliche Willkür unter Bürgermeister Otto Neideck (CDU) und insbesondere Amtsleiter Walter Rubsamen (SPD) ist sowieso bereits seit Jahren ruiniert, da verbietet es sich ganz ungeniert. Mit gleich zwei Allgemeinverfügungen beantwortete Rubsamen die Frage: „Love or Hate?“ Mit der ihm innewohnenden Arschlochmentalität richtete er sich an „alle Personen, die mit Fahrzeugen mit wagenburgtypischen Aufbauten an einer nicht angemeldeten Versammlung in Freiburg i. Br. teilnehmen wollen“ und untersagte alle von SUSI, dem Eselswinkel oder den Schattenparkern kommenden Wägen das Ausfahren von 12 bis 20 Uhr. Die zweite Allgemeinverfügung forderte einen Versammlungsleiter und verbot generell alles, was Spaß macht. In der Begründung der Allgemeinverfügungen wird unter anderen angegeben, dass bei der Wagendemo anlässlich der Beschlagnahme der Wägen von Sand im Getriebe der Straßenbahnenverkehr für satte 15 Minuten verzögert worden sei. Rubsamen wurde seinem miesen Ruf auch mit der Nichtveröffentlichung der Allgemeinverfügungen gerecht: sie wurden zunächst geheim gehalten und nicht öffentlich ausgehängt. Erst nach einigen Stunden Blockade wurden sie Personen auf der Demo ausgehändigt. Der zynische Kommentar der Bullen: „Ihr könnt ja klagen, dann bekommt ihr vielleicht in ein paar Jahren vor dem Verwaltungsgericht Recht.“
Als Reaktion auf die Wagenblockade der Bullen vor der KTS besetzten Demonstrierende die Kreuzung Heinrich-von-Stephan-Straße / Basler Straße. Die Bullen kesselten die Demonstrierenden fast eine Stunde und räumte dann so brutal, dass eine Person verletzt ins Krankenhaus musste. Eine andere wurde wegen einer Wasserspritzpistole festgenommen. Die DemobesucherInnen an der Johanneskirche wurden von einem großen Bullenaufgebot an einer Solidemo Richtung KTS gehindert.
Wo die Herrschenden Ruhe wollen, geht’s den Beherrschten schlecht
Von der Repression und den Hinhaltetaktiken der Bullen genervt, machten sich schließlich gegen 17 Uhr etwa 400 Leute ohne Wägen auf den Weg in die Innenstadt. Dort besetzten Sambasta, viele Leute von der Johanneskirche und viele neu hinzugekommene Linke den Bertoldsbrunnen. Schnell breitete sich die wütende und trotzdem gut gelaunte Menge über die zentralen Plätzen und Straßen der Innenstadt aus. Die Bullen waren sichtlich verwirrt von den vielen kleinen Demonstrationen. Umso brutaler versuchten die Robocops die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Vor dem Gebäude der Badischen Zeitung kam an einigen Stellen zu Rangeleien, auch eine Polizeikette wurde durchbrochen. Eine weitere Person wurde auf der KaJo festgenommen. Die Bullen zerrten sie vom Fahrrad und drückten sie zu Boden. Trotz offiziellem Sanitätsausweis wurden die autonomen Demosanis nicht zur Person durchgelassen. Von dem allgemeinen Kontrollverlust völlig überfordert brabbelte Einsatzleiter Hochuli wilde Drohungen und Aufforderungen in einem Wutausbruch ins Mikrofon. Selbst der SWR musste lachen über den kindisch-autoritären Stil des obersten Schupos.
Währenddessen kumpelte sich der Ex-Boxer Pierre Vogel auf dem Kartoffelmarkt durch Gottesbeweise. Der Salafist wurde von einem Großaufgebot der Bullen mit einer doppelten Reihe Hamburger Gittern vor GegendemonstrantInnen geschützt, von denen die lautstärkste Fraktion die Hisbollah-AnhängerInnen waren.
Eine größere Gruppe KTS-DemonstrantInnen hatte sich derweil am Holzmarkt versammelt. Sie zogen mit dem Soundtraktor mit Bühnen-Anhänger zur Kreuzung Rempartstraße / Rotteckring, wo es ein ausgelassenes Live-Konzert gab. Am Rande nahmen die Bullen eine weitere Person brutal fest. Bei einem vorläufigen Fazit rief unter anderem ein Junge ins Mikrofon: „Ich finds einfach nur scheiße! Ich hab mich in dieses Outfit geschmissen, um in den Pool zu steigen! Und die Bullen, die nehmen uns den ganzen Spaß weg!!“
You can get it if you really want!
Die Love or Hate-Parade ist seit den 1990ern ein radikales Zeichen von uns, wenn unsere Freiräume und Projekte gefährdet sind. Die KTS ist seit 20 Jahre ein Teil von Freiburg und nicht mehr wegzudenken. Die letzten 20 Jahre hat sie eine Grundlage und Plattform autonomer Politik, Kultur und Kunst geboten und tut dies hoffentlich noch die nächsten 200 Jahre. Doch nicht nur Autonome Zentren sind ein wichtiger Bestandteil dieser Stadt. In den letzten 20 Jahren waren die Kämpfe um Wagenburgen ein entscheidener Teil unserer Politik. Die Wägen der Wagengruppe „Sand im Getriebe“ sind seit über 55 Tagen beschlagnahmt und unsere 15 Freund*innen von der Stadt obdachlos gemacht worden. Mit der Love or Hate-Parade wollten wir auch darüber unseren Wut ausdrücken und unsere Forderung nach einer sofortigen Herausgabe der Zuhause von „Sand im Getriebe“ und nach einem neuen Wagenplatz für Freiburg unterstreichen.
Trotz der vielen Strapazen und der Bullenrepression in einem Ausmaß, mit dem niemand gerechnet hatte, haben wir am Samstag ein Zeichen gesetzt: Es wurden 5.000 Flyer und 500 Luftballons verteilt, das massive Polizeiaufgebot verstörte viele PassantInnen und zeigte mal wieder allen, was sie sowieso vermuten: wir sind die Guten!
„Diese dreckigen Anarchisten! Aber gute Musik haben sie schon.“
(Volkes Stimme auf dem Augustinerplatz)
Die Bullen hatten am späten Abend als Provokation eine Wanne vor der KTS postiert. Sie spielten aber aus lauter Langeweile nur mit ihrem Schlagstock und verpassten deshalb die Party auf dem Augustinerplatz. Nach dem Eintreffen des kosmischen Ravemobils stieg Feuerwerk über der rot leuchtenden Säule der Toleranz auf. Eine KTS-Demonstration mit über 400 Menschen zog anschließend die Gerberau hoch ins Bermudadreieck – und lachte sich schlapp, als mehrere Bullenkarren falsch abbogen und die Demo verfehlten. Ziel war der von der BZ-Hetze zum Gefahrengebiet erklärte Stühlinger Kirchplatz, wo weiteres Feuerwerk gezündet wurde. Laut Bullen-PM wurde hier zudem ein Streifenwagen beschädigt. Rund 100 Linke machten sich anschließend auf den Rückweg zur KTS und wurden dort herzlich begrüßt – natürlich wieder mit Feuerwerk.
Insgesamt hatten wir die Energie von Stadt und Bullen unterschätzt, mit der eine fröhliche Straßenparade zum KTS-Geburtstag verhindert wurde. Stattdessen gab es unkontrollierte Versammlungen bei Tag und Nacht, eine ausgelassene Party in der KTS und ein weiteres Kapitel im Kampf um autonome Freiräume.