03.06.14 Polizei zensiert und beschädigt Wandbild zur Erinnerung an die NSU-Opfer (Berlin)

Seit heute Mittag hat das frisch aufgehängte Wandbild an der Ecke Manteuffelstraße/Oranienstraße ein Loch und damit eine inhaltliche Lücke – der Satz „NSU: Staat und Nazis Hand in Hand“ wurde von der Berliner Feuerwehr im Auftrag der Berliner Polizei aus dem Bild herausgerissen, ohne richterliche Anordnung. Das Wandbild erinnert an den Nagelbombenanschlag des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) auf die Kölner Keupstraße vor 10 Jahren. Es thematisiert das Verhalten der Ermittlungsbehörden nach dem Anschlag, die Hinweise auf einen rechtsterroristischen Tathintergrund systematisch ignorierten. Stattdessen ermittelten sie gegen die Anwohner_innen und Gewerbetreibenden der Keupstraße und drangsalierten sie jahrelang mit zweifelhaften Methoden.

Nicht erst seit dem NSU-Untersuchungsausschuss ist bekannt, dass ohne eine Zusammenarbeit der Behörden mit dem NSU dieser nicht über zehn Jahre hinweg Menschen mit Migrationsgeschichte hätte ermorden können.

Schon nach der Demonstration zum zweiten Jahrestag des Bekanntwerdens des NSU am 04.11.2013 versuchte die Berliner Polizei das ähnlich lautende Demo-Motto „NSU-Terror.
Nazis und Staat Hand in Hand“ zu kriminalisieren: eine Lautsprecheranlage wurde beschlagnahmt, ein Verfahren nach § 90a (Verunglimpfung des Staates) eingeleitet und mangels Erfüllung eines Straftatbestandes wieder eingestellt. Die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahmung wurde gerichtlich festgestellt.

Heute hat dieselbe Polizeieinheit im Auftrag derselben Abteilung des Landeskriminalamtes – des polizeilichen Staatsschutzes – den Satz „NSU: Staat und Nazis Hand und Hand“ aus dem Wandbild zensiert.

Die Personalien von Anwesenden wurden festgestellt. Zunächst behauptete die Polizei, das Bild sei ohne Erlaubnis der Hauseigentümer_innen angebracht worden. Die herbeigerufene Vertreterin der Wohnungsbaugenossenschaft bestätigte die ausdrückliche Genehmigung.
Erst daraufhin begründete die Polizei ihre Maßnahmen mit dem § 90a (Verunglimpfung des Staates) – wegen diesem werde jetzt ermittelt.

Die Polizei verlangte, die Zensur am Bild selbst vorzunehmen und die strittige Passage zu übermalen. Als keiner der polizeilichen Aufforderung nachkam, konnte auch ein herbeigeeilter Anwalt nicht verhindern, dass die Polizei eine Drehleiter der Berliner Feuerwehr anforderte.

Unter Missfallensäußerungen von Anwohner_innen fuhr ein Feuerwehrmann zum Bild hinauf, mit einem Messer bewaffnet und riss großflächig Teile des Bildes ab.
Ein Presse-Fotograf fotografierte diese Aktion. Daraufhin wurde er von der Polizei umstellt: Er solle seine Bilder zur Kontrolle vorzeigen. Als er sich weigerte, wurden seine Personalien festgestellt.

Wir verstehen die Zensur des Wandbildes als eine weitere Kriminalisierung politischer antirassistischer Arbeit. Die Benennung der Rolle des Staates innerhalb des NSU-Komplexes soll unterbunden werden. Allein dieses Vorgehen der Polizei gegen kritische Stimmen zeigt, dass die zensierte Aussage aktueller und berechtigter ist denn je.
Gerade angesichts der Ungeheuerlichkeiten der Ermittlungsarbeit zum NSU müssen staatliche Strukturen auch Kritik zulassen, ohne diejenigen, die diese Kritik äußern, einzuschüchtern, zu überwachen und zu verfolgen. Mit dieser Kriminalisierung wird versucht, den Standpunkt von Menschen, die Rassismus erfahren, aus dem öffentlichen Raum zu entfernen und unsichtbar zu machen.

Das Bündnis gegen Rassismus und Allmende e.V. werden sich nicht zum Schweigen bringen lassen. Wir kämpfen weiterhin gegen Rassismus und ebenso gegen die Repression gegen uns und unsere politische Arbeit.

Wir fordern die Einstellung der Verfolgung Unschuldiger und ein Ende der Kriminalisierung antirassistischer Arbeit!

Bündnis gegen Rassismus
und Allmende e.V.

Kontakt: bundgrass@yahoo.de

buendnisgegenrassismus.org

 


 

Pressemitteilung der Initiative „Keupstraße ist überall“

 

Polizei Berlin zensiert solidarisches Wandbild für die Kölner Keupstraße /
Initiative fordert lückenlose Aufklärung des NSU-Komplexes durch NRW-Untersuchungsausschuss

 

Köln, 03.06.2014 – Die Initiative „Keupstraße ist überall“ verurteilt das Vorgehen der Polizei Berlin, die ein Wandbild in Berlin zum zehnten Jahrestag des NSU-Bombenanschlags auf die Kölner Keupstraße, zensierte. Ausdrücklich begrüßt wird die heute beschlossene Einrichtung eines NSU-Untersuchungsausschusses in Nordrhein-Westfalen.

 

Das heute in Berlin eingeweihte Wandbild an der Manteuffelstraße / Ecke Oranienstraße sollte an die jahrelangen Drangsalierungen der Betroffenen durch die Ermittlungsbehörden erinnern. Bis zur Selbstenttarnung des NSU 2011 ermittelten die Behörden ausschließlich gegen die zum Teil schwer Verletzten und Geschädigten der Bombe und machten aus Betroffenen Täter. Der inkriminierte Satz auf dem Solidaritätsplakat, der die Verstrickungen zwischen dem Verfassungsschutz und der rechtsextremen Szene in Deutschland thematisierte, lautete „Staat & Nazis – Hand in Hand“. Dies sei, so das LKA Berlin, eine strafbare Verunglimpfung des Staates. „Wir wenden uns gegen jede Form der Zensur.

Der kriminalisierte Satz spitzt zu, was wir uns in dieser Affäre alle fragen: wo hört der NSU auf und wo fängt der Staat an?“, so ein Sprecher der Initiative „Keupstraße ist überall“.

 

NRW-Untersuchungsausschuss begrüßt

 

Die Initiative “Keupstraße ist überall” begrüßt ausdrücklich die Einrichtung eines NSU-Untersuchungsausschusses in Nordrhein-Westfalen. „Entscheidend wird es sein, dass auch die Rolle der Polizei und des deutschen Inlands-Geheimdienstes Verfassungsschutz unter die Lupe genommen wird. Wir fordern ein, dass geklärt wird:

– Welche Neonazihelfer_innen in NRW und welche Neonazistrukturen aus dem Blood & Honour und C18 Umfeld dem NSU zugearbeitet haben?

– Warum wurde, im Falle der Keupstraße, noch am Tag des Nagelbombenatten-tates, ein rechtsradikaler Hintergrund öffentlich ausgeschlossen?

– Wie viele Mitarbeiter sich von Polizei, Staats- und Verfassungsschutz wirklich am Tag des Nagelbombenattentats in der Keupstraße und der näheren Umgebung aufhielten und warum?

– Wie ist der NSU an Informationen über lokale Örtlichkeiten, wie die der Probsteigasse, gekommen?

– Wer hat die Bombe in der Probsteigasse wirklich abgelegt?

– Warum wurden mögliche Helfer, wie beispielsweise ein ehemaliges Blood & Honour Mitglied aus Thüringen, der auch als V-Mann tätig war, nie in den engeren Kreis der Verdächtigen genommen?

– Warum wurde Carsten S., der aus Thüringen kommend nach Düsseldorf gezogen war, als ehemaliges Mitglied des Thüringer Heimatschutzes und JN Kreis Vorsitzender, nie genauer unter die Lupe genommen?

– Und das, obwohl öffentlich bekannt war, in welcher Szene er in Thüringen agiert hat?

 

Der NSU-Komplex muss lückenlos aufgeklärt werden!

 

Initiative “Keupstraße ist überall”

Quelle: Indymedia Linksunten

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