Andrea H. (in Berlin von Polizisten erschossen am 24.08.2011)

Am 24.08.11 wurde die offenbar verwirrte Andrea H. von Beamten einer Berliner Einsatzhundertschaft erschossen.

Aus dem „Berliner Kurier“ vom 03.11.11:

Sie hatte Angst um ihr Leben, griff in Panik einen Polizisten an. Dessen Kollege drückte ab, schoss der psychisch kranken Frau eine Kugel in die Brust. Sie starb 30 Minuten später, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden nach kurzer Zeit eingestellt. Jetzt wirft der Universitäts-Kriminologe Thomas Feltes (60) der Polizei schwerwiegende Fehler vor. Er sagt: „Die Frau hätte nicht sterben dürfen!“

Rückblick: Am 24. August 2011 sollte Andrea H. zum Amtsgericht Wedding gebracht werden. Es ging um eine mögliche Zwangseinweisung der 53-Jährigen. Doch als zwei Sozialarbeiter Andrea H. nachmittags in ihrer Wohnung abholen wollten, drehte die zierliche Frau durch, bedrohte die Sozialarbeiter. Als zwei zur Unterstützung alarmierte Polizisten eintrafen, ging Andrea H. mit einem Messer auf die Beamten los, verletzte einen davon leicht am Arm und schloss sich in ein Zimmer ein. Spätestens jetzt, sagt Kriminologe Feltes, „hätten Psychologen, ein Arzt oder Familienangehörige hinzugezogen werden müssen!“

Die attackierten Polizisten hingegen forderten lediglich polizeiliche Unterstützung an. Beamte einer eingetroffenen Hundertschaft rammten schließlich die Tür zu dem Zimmer ein, in dem sich Andrea H. verschanzt hatte. Daraufhin ging die psychisch kranke Frau mit einem Messer auf die Beamten los – und wurde erschossen.

Feltes: „Als die Situation eskalierte, wurden die Polizisten offenbar vom Jagdtrieb erfasst. Das ist ein polizeitypisches Phänomen, dass von einem einmal gefassten Entschluss auch dann nicht abgelassen wird, wenn die Situation grundlos eskaliert. Die Beamten wollen dann Stärke zeigen, sich keine Blöße geben!“

Statt gewaltsam zu versuchen, die Frau zu überwältigen, hätte man sich Zeit lassen müssen, so Feltes weiter. „Es bestand doch offensichtlich kein Handlungsdruck. Die Frau hätte auch einen oder mehrere Tage später untersucht werden können. Aber dem stand hier augenscheinlich der Jagdtrieb entgegen.“

Auch die Entscheidung der Berliner Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen einzustellen, kritisiert der Polizeiwissenschaftler scharf: „Die Frage, ob hier tatsächlich Notwehr vorlag, hätte von einem Gericht geprüft werden müssen. Ich bezweifle, dass hier eine rechtlich erlaubte Nothilfesituation vorlag.

Klare Worte direkt nach dem Vorfall fand Bodo Pfalzgraf von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er sagte: „Wer Polizisten mit einem Messer angreift, muss damit rechnen, erschossen zu werden („Tagesspiegel„). Offenbar gilt das ohne jede Einschränkung auch für geistig verwirrte Menschen. Schaut man sich an, wie viele geistig verwirrte Menschen seit dem Tod von Adrea H. durch die Polizei erschossen werden, gewinnt dieser brutale Satz von Pfalzgraf hier fast programmatische Bedeutung.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die beteiligten Beamten, darunter einen Zugführer der für ihre Brutalität berüchtigten 23. Einsatzhundertschaft, waren bereits Mitte September, kaum drei Wochen nach dem Tod von Andrea H., endgültig eingestellt worden.

 

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