Bereits am 14.05.2007 starb ein 35jähriger Franzose in Polizeigewahrsam in Hagen, mißhandelt von Polizeibeamten, an Händen, Füßen und Kopf gefesselt. Polizei und Staatsanwaltschaft in Hagen ließen keinen einzigen Ton über diesen Vorfall an die Öffentlichkeit dringen – über ein Jahr lang. Bis heute, Jahre später, ist die Identität des Toten nicht bekannt.
Da der Getötete schwarze Hautfarbe hatte, ist auch hier von einem rassistischen Tötungsdelikt durch die eingesetzten Polizeibeamten auszugehen. Um so unverständlicher – oder um so verständlicher – ist das totale Stillschweigen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu diesem Todesfall in Polizeigewahrsam.
Laut Süddeutscher Zeitung soll zuerst die Frankfurter Rundschau auf den zweiten Todesfall innerhalb kurzer Zeit in Polizeigewahrsam in Hagen aufmerksam geworden sein – über ein Jahr nach dem Todesfall selbst und über fünf Monate nach dem gewaltsamen Tod von Adem Özdamar ebenfalls auf einer Polizeiwache in Hagen, der, da die Angehörigen von Özdamar die Polizeiversion des plötzlichen natürlichen Todes nicht übernommen hatten, breit thematisiert worden war.
Die taz schreibt am 21.05.2008 über den Fall:
Bei der Fesselung durch Hagener Polizisten ist ein weiterer Mensch ums Leben gekommen. Ein 35-jähriger Franzose verstarb bereits am 14. Mai 2007, nachdem er von drei Beamten an Händen, Füßen und Kinn fixiert worden war. Der Mann habe bei der Fesselung „einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten“ und sei deshalb „kollabiert“, so der Sprecher der Hagener Staatsanwaltschaft, Reinhard Rolfes, zur taz. Der Tod des Franzosen erinnert fatal an den aus der Türkei stammenden Adem Özdamar, der im Februar nach Fesselung durch Polizeibeamte auf einer Hagener Polizeiwache ins Koma fiel und starb.
Doch während Özdamars Tod über Hagen hinaus für Aufsehen sorgte, erfuhr die Öffentlichkeit vom Tod des Franzosen nichts. Es habe sich um eine „krankenhausinterne Angelegenheit“ gehandelt, begründet Oberstaatsanwalt Rolfes das Schweigen seiner Behörde: Der 35-Jährige sei wegen einer Psychose eingeliefert worden. Der behandelnde Arzt habe die drei Polizeibeamten zu Hilfe gerufen, um den „Schwarzafrikaner französischer Staatsangehörigkeit“ mit Medikamenten „ruhigzustellen“. Für ein Fehlverhalten der Polizisten oder des Arztes lägen „keine hinreichenden Anhaltspunkte“ vor, sagt Rolfes. Die Staatsanwaltschaft habe ihre Ermittlungen eingestellt. Todesursache sei laut Gerichtsmedizin ein „Herzstillstand in Folge eines akuten Erregungszustands infolge der Psychose“ gewesen. Wie lange aber seine Behörde überhaupt ermittelt hat, konnte der Oberstaatsanwalt nicht sagen.
Berichte, nach denen die Staatsanwaltschaft den Tod des Franzosen vom gleichen Rechtsmediziner untersuchen ließ wie den Tod Özdamars, wollte Rolfes gestern nicht kommentieren. Nach Informationen der FR kommt der Dortmunder Pathologe Ralf Zweihoff in beiden Fällen zum gleichlautenden entschuldigenden Ergebnis: Todesursache sei ein „Hirntod durch Herz-Kreislauf-Stillstand als Folge eines Zustands nach Reanimation“. Ein abschließendes Gutachten aber, dass die Staatsanwaltschaft nach massiven Protesten der türkischen Community Hagens in Auftrag gegeben hat, steht immer noch aus. „Wir warten täglich darauf“, beteuert Staatsanwalt Rolfes – warum die Ergebnisse über zwei Monate auf sich warten lassen, wisse er nicht. Wenig interessiert zeigt sich die Hagener Staatsanwaltschaft auch an den Ergebnissen einer zweiten Obduktion Özdamars in der Türkei. „Mit den türkischen Behörden haben wir keinen Kontakt“, sagt Rolfes.
Doch es kommt noch heftiger. Erst stirbt ein Mensch im Polizeigewahrsam, dann wird der Tote still und heimlich unter die Erde gebracht und ein Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Polizisten sofort wieder eingestellt, alles ohne Information der Öffentlichkeit oder die Einschaltung von unabhängigen Instanzen, obwohl alleine die Tatsache, dass der Betroffene schwarze Hautfarbe hatte, rassistische Polizeigewalt zumindest nahelegt.
Dann, zwei Monate nach Bekanntwerden dieses Todesfalles und mehr als 14 Monate nach dem Todesfall selbst, räumt die zuständige Staatsanwaltschaft ein, dass „der Tod eines 36-jährigen Franzosen nicht geklärt“ sei, so die „Frankfurter Rundschau„.
„Die Staatsanwaltschaft Hagen hat erstmals eingeräumt, den Tod eines 36-jährigen Franzosen nicht geklärt zu haben. Dem ZDF teilte Oberstaatsanwalt Reinhard Rolfes mit: „Die genaue Todesursache ist nach dem rechtsmedizinischen Gutachten nicht zu klären.“ Der Frankfurter Rundschau und mehreren Nachrichtenagenturen hatte Rolfes noch vor wenigen Wochen gesagt, es gebe „keine Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Verhalten der Polizei“.
Der Schwarze ist der zweite Migrant, der innerhalb von einem Jahr während einer Fixierung durch Hagener Polizisten starb. Der Franzose soll unter einer Psychose gelitten haben und wurde gegen seinen Willen im Mai 2007 in ein Hagener Krankenhaus geliefert. Rolfes hat nun auch eingeräumt, dass ein Polizist das Kinn des Mannes „kurz, circa zwei bis drei Minuten lang“ heruntergedrückt hatte, bevor die Atmung des Mannes aussetzte.
Diese Fixierung gilt unter Rechtsmedizinern als lebensgefährlich, weil sie die Sauerstoffzufuhr gerade von erregten Personen massiv einschränkt. Bei der Obduktion ist die Erstickung nicht mehr nachzuweisen, sie kann nur durch Indizien hergeleitet werden. Wie im Fall des 26-jährigen Deutsch-Türken Adem Özdamar, der im Februar auf einer Hagener Polizeiwache ins Koma fiel und später starb, stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein.
Auch das Gesundheitsministerium, zuständig für Patienten, bringt kein Licht in den ungeklärten Todesfall. Die FDP-Landtagsfraktion hatte schon am 20. Mai verlangt, über die Kinnfixierung aufgeklärt zu werden. Dem Abgeordneten und Psychiater Stefan Romberg erschien diese Methode fragwürdig und ohne rechtliche Grundlage. Sein Brief blieb sechs Wochen lang unbeantwortet; nun soll das Justizministerium verantwortlich sein. „Da der Patient gegen seinen Willen behandelt wurde, muss unbedingt geklärt werden, ob die Art und Weise der Zwangsbehandlung angemessen war“, so Romberg zur FR. Das könne seines Erachtens nur ein neutrales ärztliches Gutachten klären.
Den Tod des Franzosen hatte die Staatsanwaltschaft ein Jahr lang geheim gehalten. Anders als Adem Özdamar hatte der Schwarze nach Informationen der FR keine Angehörigen und keinen Anwalt, die Fragen hätten stellen können. Sein Tod wurde von der Polizei intern abgehakt.„
Dieser Artikel in der FR vom 10. Juli 2008 ist der letzte Bericht, den wir zum Tod des unbekannten Franzosen im Polizeigewahrsam im Mai 2007 finden konnten. Es ist davon auszugehen, dass die genauen Todesumstände nicht geklärt worden sind und niemals geklärt werden. Genauso ist davon auszugehen, dass keine weiteren Ermittlungen gegen die Polizeibeamten, die im Mai 2007 den Mann getötet haben, eingeleitet worden sind, und diese weiterhin und unbehelligt ihrer Arbeit bei der Polizei nachgehen.